Spieltheorie

Die Spieltheorie ist ein Zweig der Mathematik, der sich mit dem rationalen Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen befasst. Es ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Erfolg eines Akteurs nicht nur vom eigenen Handeln sondern auch vom Agieren anderer abhängt. Von der Spieltheorie beschriebene Entscheidungssituationen unterscheiden sich damit von Entscheidungsproblemen, bei denen es um die Auswahl der besten Entscheidungsoption unter mehreren Alternativen geht.

Von Neumann und Morgenstern - die Erfinder

SpieltheorieAls 'Initialzündung' für die Spieltheorie gilt das 1944 von John von Neumann und Oskar Morgenstern veröffentlichte Buch 'The Theory of Games and Economic Behavior'. Bereits vorher hatte sich Neumann intensiver mit dem Verhalten von Spielern bei Gesellschaftsspielen befasst - daher der Name 'Spieltheorie'. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden auf Entscheidungssituationen im Wirtschaftsleben ausgeweitet und bildeten die Grundlage für die Weiterentwicklung der Theorie für verschiedene Spielkonstellationen und Anwendungen.

Mathematische Spielbeschreibung

Die Spieltheorie versucht, unterschiedliche Situationen in Form eines Spiels mathematisch zu beschreiben. Hierfür wurde eine eigene Formelsprache entwickelt. Dabei wird festgelegt, welche Spieler es gibt, welche Handlungsoptionen mit welchen Konsequenzen den Spielern zur Verfügung stehen und wie der sequentielle Spielablauf ist. Die möglichen Ergebnisse des Spiels werden im Rahmen einer Auszahlungsfunktion abgebildet, die definiert, welchen Gewinn ein Spieler in Abhängigkeit von den Spielzügen erhält. Aufbauend auf diesem formalen Gerüst entwickelt die Spieltheorie Lösungskonzepte und versucht Vorhersagen über den Ausgang eines Spiels zu machen.

Rationalität und Information als Annahmen

Die Spieltheorie unterstellt dabei rational handelnde Spielteilnehmer, die bei ihren Spielzügen mögliche Aktionen der Mitspieler berücksichtigen und bestrebt sind, das für sie bestmögliche Ergebnis im Spiel zu erzielen. Für die Entwicklung von Lösungskonzepten entscheidend ist der Informationsstand der Mitspieler. Die Spieltheorie unterscheidet zwischen vollständiger und perfekter Information sowie perfektem Erinnerungsvermögen. Vollständige Information beschreibt die Kenntnis aller Spieler über die Spielregeln als eine grundsätzliche Spielvoraussetzung. Perfekte Information bezeichnet das Wissen aller Spieler über alle Spielzüge aller Spielteilnehmer. Perfektes Erinnerungsvermögen steht für die Kenntnis eines Spielteilnehmers über alle bereits in der Vergangenheit verfügbaren Informationen. Diese zum Teil sehr restriktiven Annahmen werden in Weiterentwicklungen der Spieltheorie abgeschwächt.

Lösungskonzepte, Strategien und Spielkonstellationen

Bei den Lösungskonzepten spielen Gleichgewichte eine wichtige Rolle. Das bekannteste ist das sogenannte Nash-Gleichgewicht. Es bezeichnet ein Lösungskonzept, bei dem es für keinen Spieler lohnend ist, von seiner einmal gewählten Strategie abzuweichen. Auch Wiederholungen des Spiels würden danach immer wieder zum gleichen Ergebnis führen. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Lösungskonzepten, die auf unterschiedliche Spielkonstellationen ausgerichtet sind. Bekannte Spielkonstellationen sind das Gefangendilemma, der Kampf der Geschlechter, das Ultimatumspiel, die Hirschjagd, das Spiel mit dem Untergang u.a.. Bei der Entwicklung eines Lösungskonzeptes spielt die mögliche Strategiewahl eine wichtige Rolle. Hier wird zwischen einer 'reinen Strategie' und einer 'gemischten Strategie' unterschieden. Bei der reinen Strategie hat der Spieler auf einer Spielstufe nur eine Aktionsoption, bei gemischten Strategien dagegen mehrere Aktionsoptionen, denen sich bestimmte Wahrscheinlichkeiten zuordnen lassen. Je nach unterstellter Strategieform unterscheiden sich die Spielergebnisse.

Ständige Weiterentwicklung

Die Spieltheorie erlebt eine ständige und dynamische Weiterentwicklung. Neue Lösungsansätze ergeben sich zum Beispiel bei Spielwiederholungen oder bei Aufgabe bzw. Modifizierung der strengen Annahmen über das Verhalten und Wissen der Mitspieler. Im Rahmen der sogenannten evolutionären Spieltheorie wird nicht auf rationales Verhalten, sondern kulturelle oder genetische Veränderungsprozesse abgestellt. Einen eigenen Zweig stellt die sogenannte kooperative Spieltheorie dar. Sie beschreibt - im Unterschied zur sonst nicht-kooperativ angelegten Spieltheorie - Spiele auf der Basis von Koalitionsfunktionen.

Interdisziplinäre Wissenschaft

Vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften hat die Spieltheorie eine breite Anwendung gefunden. Sie dient als Erklärungsansatz für verschiedene wirtschaftliche und soziale Verhaltensweisen. Darüber hinaus dient sie auch in der Biologie zur Beschreibung von evolutionären Prozessen. Aber auch in anderen Wissenschaftsbereichen, zum Beispiel der Informatik, liefert die Spieltheorie nützliche Erkenntnisse. Sie ist damit eine typische interdisziplinäre Wissenschaftsrichtung.